von Eva Bahn, PTA des Jahres 2021
Herpes – für viele ein wiederkehrendes Thema
Kaum einer kennt es nicht. Eine kleine Stelle, meist an den Lippen oder an der Nasenschleimhaut, kribbelt und juckt in einer Weise, dass bald klar ist, was 6 bis 48 Stunden später zum Vorschein kommen wird: Herpesbläschen. Das charakteristische Jucken und Kribbeln wird als Prodromalstadium bezeichnet. Nun ist es höchste Zeit, schnell zu handeln, will man nicht ein oder zwei Wochen lang mit einer unschönen Kruste im Gesicht herumlaufen. Die Apotheke ist jetzt genau die richtige Anlaufstation. Denn hier weiß das Personal, was zu tun ist, damit die Bläschen im besten Fall gar nicht erst zum Vorschein kommen.
Herpes simplex heißt dieses Virus (aus dem griechischen herpein – kriechen), das sich so erfolgreich bei den meisten Menschen ab dem fünften Lebensjahr einnistet. Meist wird es durch eine Schmierinfektion, etwa nach Kontakt mit infizierten Hautstellen, übertragen. Je nach dem Ort ihres Auftretens wird die Erkrankung dann benannt – beispielsweise Herpes labialis, der Lippenherpes. Tritt die Läsion im Genitalbereich auf, sprechen Ärzte von Herpes genitalis. Die Erreger sind zwei verschiedene und doch sehr ähnliche Virusspezies: Das Herpes simplex Virus 1 (HSV-1), das überwiegend für die sogenannten Fieberbläschen im Mund- und Gesichtsbereich verantwortlich ist, und das Herpes simplex Virus 2 (HSV-2), das eher im Bereich der Genitalien vorkommt. Etwa 70 % der Bevölkerung tragen HSV-1 und 20 % HSV-2 in sich. Wiederholte Herpesausbrüche treten aber nur bei einem Teil der Infizierten auf.
Geschwollene Lymphknoten, lokale Schmerzen, besonders beim Berühren der infizierten Hautstelle oder Fieber sind typische Beschwerden. Bei der Lokalisation im Genitalbereich können zusätzlich zu Bläschen und Krusten Schmerzen beim Wasserlassen auftreten. Gefährlich sind jedoch nur die selten vorkommende Infektion eines Neugeborenen unter der Geburt und die ebenfalls sehr seltene Infektion der Hornhaut der Augen.
Das Herpes simplex Virus ist innerhalb der großen Familie der Viren ein besonders komplex aufgebauter Vertreter, der eine ganz besondere Eigenschaft mit sich bringt: die sogenannte Persistenz. Das heißt, das Virus verbleibt nach der meist symptomlosen Erstinfektion lebenslang im Körper des Wirtes. Es setzt sich in den sensorischen Ganglien der Nervenzellen fest und kann von dort aus immer wieder eine Infektion auslösen, wenn der Wirt bestimmten Triggerfaktoren ausgesetzt ist. Häufig tritt ein Rezidiv z. B. auf, wenn das Immunsystem bei einer fieberhaften Infektionskrankheit mit anderen Krankheitserregern „abgelenkt“ ist. Auch nach einem ausgiebigen Sonnenbad, in Stresssituationen, nach Magen-Darminfektionen, nach starkem Ekelgefühl oder nach körperlicher Verausgabung können die Bläschen auftreten. Dabei ist es individuell meist derselbe Auslöser, der immer wieder ein Rezidiv hervorruft. Die genauen Mechanismen dieser Reaktivierung sind noch nicht bekannt. Eines ist jedoch sicher: Das Virus lässt sich nicht mehr aus unserem Körper vertreiben, wenn es sich einmal eingenistet hat. Einmal Herpes, immer Herpes!
Was kann man nun tun, wenn es wieder einmal juckt und kribbelt und sich die ersten Bläschen zeigen? Im Grunde bleibt nichts anderes übrig, als die Symptome zu behandeln, damit die Abheilungsphase so schnell wie möglich eingeleitet wird und die Krustenbildung möglichst unterbleibt. Mittels virushemmender lokal aufzutragender Präparate mit den Wirkstoffen Aciclovir oder Penciclovir lässt sich die reine Erkrankungszeit um etwa einen Tag verkürzen. Zudem sind die Schmerzen, die durch die Läsionen verursacht werden, nicht mehr so ausgeprägt. Wichtig ist, das Medikament so früh wie möglich beim ersten Auftreten der typischen Zeichen anzuwenden. Ebenfalls auf dem Markt ist ein Kombinationspräparat mit Aciclovir und Hydrocortison. In einer Studie mit dem Kombipräparat bildeten sich bei weniger Menschen Bläschen und Krusten als unter der Aciclovir-Monotherapie. Damit die lokale Behandlung gut wirksam ist, müssen die Präparate in der Regel fünfmal täglich angewendet werden. Es ist wichtig, den Patienten in der Apotheke darauf hinzuweisen. Er sollte die Creme mit einem Wattestäbchen auf den Bläschen verteilen, damit die Viren nicht an seine Finger gelangen. Sonst besteht die Gefahr, dass er Viren beispielweise in ein Auge reibt oder andere Personen ansteckt. Um die Infektionsgefahr noch weiter zu verringern und der Bildung harter Krusten entgegenzuwirken, kann auch ein Herpes-Patch verwendet werden. Das kleine durchsichtige Pflaster deckt die Läsion vollständig ab und sorgt mittels der enthaltenen Hydrokolloide dafür, dass ein wundheilungsförderndes Milieu entsteht. Es kann sogar überschminkt werden, so dass die charakteristischen Herde im besten Fall gar nicht mehr sichtbar sind. Zudem werden Schmerzen und Juckreiz durch die Pflaster gelindert.
Auch die Phytotherapie hält Mittel gegen Herpes bereit. Hier wird in erster Linie äußerlich auf die Melisse (Melissa officinalis) und innerlich auf den Roten Sonnenhut (Echinacea purpurea) gesetzt. Im Melissenextrakt befinden sich glykosidisch gebundene Phenolcarbonsäuren, die die Bläschenphase verkürzen. Cremes mit Melissenextrakt sollten schon nach dem Auftreten eines Triggers benutzt werden, damit sich die Bläschen gar nicht erst bilden. Echinacea-Extrakte sind zur Stimulation des Immunsystems seit vielen Jahren im Einsatz und sollen die rezidivfreie Zeit verlängern. Auch die Einnahme von Zinkpräparaten soll das Immunsystem stärken. Zinksalbe bei Lippenherpes wirkt austrocknend und virustatisch. Besonders in der Kombination mit Heparin zeigt sie einen schnellen Wirkeintritt. Eine lokale Behandlung mit Docosanol kann im Frühstadium helfen, wenn noch keine Bläschen zu sehen sind und nur die ersten Anzeichen wie das typische Kribbeln auftreten. Der aliphatische Alkohol penetriert sehr schnell durch die Haut und wird in den Zellen zu Säure und Aldehyd metabolisiert, die das Eindringen der Herpesviren in die Hautzellen verhindern sollen. Auch Kautabletten mit L-Lysin und einer auf die Stärkung des Immunsystems abgestimmten Kombination mit verschiedenen Vitaminen sind auf dem Markt und sollen mit lokal wirkenden Salben oder Cremes kombiniert werden.
Wie man sieht, kann ein Herpespatient in der Apotheke umfangreich beraten werden. Es gibt wirksame Medikamente, auch wenn sich die Herpes simplex Viren nicht aus dem Körper vertreiben lassen. In die Hände eines Arztes gehört die Erkrankung immer dann, wenn Komplikationen wie Fieber auftreten, die Herde ungewöhnlich groß oder in Augennähe lokalisiert sind. Auch ein Genitalherpes sollte immer von einem Mediziner beurteilt werden. Hier besteht die Möglichkeit der Behandlung mit verschreibungspflichtigen virustatischen Medikamenten. Für die Beratung zu diesen Arzneimitteln ist der Patient in der Apotheke ebenfalls gut aufgehoben ist.